Die Grafen Pálffy-Daun – ein Neubeginn
Das Märchenschloss der ungarischen Grafen: Von der verfallenen Ruine zum graziösesten Schlossneubau der Steiermark.
Das Wahrzeichen von Kleinstübing ist das Schloss Pálffy. Das wunderschöne Märchenschloss thront über den Häusern des Ortes und ist weithin sichtbar. Bis vor einigen Jahren diente es dem SOS Kinderdorf als Haupt- und Verwaltungsgebäude. Heute befindet sich die Anlage in Privatbesitz und ist leider nicht mehr öffentlich zugänglich. Die nähere Betrachtung der jüngsten Geschichte bringt wiederum viele Neuigkeiten zu Tage, die so noch nicht bekannt gewesen sein dürften. Die Geschichte von Stübing muss also wieder neu geschrieben werden:
Nach dem Verkauf des Schlosses Stübing der Grafen von Dietrichstein im Jahre 1792 wechselten rasch bürgerliche Besitzer. Erster bürgerlicher Besitzer des Schlosses Stübing war der Braumeister von Deutschfeistritz Josef Moßmayer, ihm folgte sein Sohn Georg Moßmayer. 1815 ersteigerte Georg Ortner das Schloss samt den zugehörigen Grundstücken um rund 2.000 Gulden. Bereits 1816 wurde der Besitz an Maria und Mathias Hörzer vlg. Spitaler in Stübing verkauft. 1845 folgte als Besitzer Georg Brunnmüller. 1856 kam das Schloss wieder in die Hände adeliger Besitzer. Brunnmüller verkaufte Schloss und Gut um rund 25.000 Gulden an Baronin Katharina Meller-Zakomelski geborene Gräfin Szydlovska.
Das Schloss wurde 1823 vom Topograph Carl Schmutz als verfallen bezeichnet, Albert Muchar (1786-1849) zählte Schloss Stübing zu den unbewohnten Ruinen des Landes. Zwei Ansichten des Schlosses aus dem Jahr 1840, gezeichnet von Conrad Kreuzer zeigen ein verfallenes Hauptgebäude, Mauerreste hinter dem Nordtrakt und links vom Haupttor einen komplett verfallenen Trakt. Die detailreichen Ansichten zeigen aber den ursprünglich wehrhaften Charakter des Schlosses, den vorbeiführenden Altweg auf den Hagensattel und eine hohe Bastei mit Graben im Vordergrund, der im Laufe der Zeit eingeebnet wurde und unter einer angelegten Böschung verschwand.
Baronin Katharina Meller-Zakomelsky war wohl eine russisch-polnische Adelige. Warum sie gerade Gut und Schloss Stübing von Georg Brunnmüller kaufte ist nicht bekannt. Oft wird behauptet, Baronin Meller-Zakomelsky habe den Umbau des Schlosses im damals modernen Tudor- oder Windsorstil beauftragt. Am Beispiel des Schlosses der Stadt Wolfsberg in Kärnten kann man Analogien zur baulichen Neugestaltung Stübings finden. Eine Tonlithographie aus Carl Reicherts Buch "Einst und Jetzt" erschienen 1863-66 in Graz zeigt Schloss Stübing im Jahr 1864 jedoch in einer anderen Bauphase bzw. Ausgestaltung. Baronin Meller-Zakomelsky habe 1857 Architekt Ferdinand Zehentgruber mit dem Umbau des Schlossgebäudes beauftragt. Bevor das Schloss jedoch sein historistisches Aussehen bekam wie wir es heute noch kennen, wurde wie eben Carl Reichert das Schloss um 1863/64 lithographierte - ein relativ nüchterner Umbau, dem Stil des endenden Klassizismus hin dem Historismus folgend – umgesetzt.
Die Baronin hat das Eigentumsrecht am Schloss 1857 an ihre Mündel Emanuel und Ernst Marquis de Forcade abgetreten. Ob finanzielle Schwierigkeiten oder andere Gründe dahinterstanden ist nicht mehr nachvollziehbar. Mit Kaufvertrag vom 16. Oktober 1863 stößt der Vormund der Brüder Emanuel und Ernst Marquis de Forcade, Dr. Ignaz Böss in Graz Gut und Schloss Stübing über den Leibarzt des ungarischen Grafen, Dr. Heilsberg aus Wien, an Ferdinand Leopold Pálffy-Daun um 35.000 Gulden ab. Damit beginnt der letzte bisher glanzvollste Abschnitt in der Geschichte des Schlosses.
Die Wiener Zeitung schreibt am 4. Dezember 1863, dass ein auf Baronin Katharina und Baron Peter Meller-Zakomelsky am 10. April 1863 in St. Petersburg ausgestellter Wechsel für den Handelsmann A. Horwitz in Graz, fällig sei. Zumindest ein starkes Indiz, dass finanzielle Angelegenheiten der Grund für den wiederholten Verkauf der Realitäten gewesen sein könnten. Zusammenfassend können wir davon ausgehen, dass nicht die Baronin Meller-Zakomelsky das Schloss Stübing im Tudor- bzw. Windsorstil ausgebaut hat – das Schloss jedoch unzweifelhaft vor dem Verfall rettete, sondern erst Graf Ferdinand Leopold Pálffy-Daun den glanzvollen Umbau zu einem prachtvollen und repräsentativen Schlossgebäude durchführen ließ.
Im Jahr 1885 bezeichnet Josef Andreas Janisch Schloss Stübing als den „unstreitig graziösesten Schloss-Neubau des Landes“. Die Bezeichnung Schlossneubau Janisch‘s fast dreißig Jahre nach den ersten erfolgten Baumaßnahmen weisen ebenso darauf hin, dass erst Graf Ferdinand Leopold Pálffy-Daun das Schloss in sein nunmehriges Erscheinungsbild hüllte. Sein Sohn Wilhelm (1867-1916) hat Stübing vor 1898 nochmals maßgeblich erweitert, in dem er die Fläche des Hauptgebäudes nach Nordosten nahezu verdoppelte und das gesamte Ensemble zu einem noch stattlicheren Ansitz ausbaute.